Glauben und Faktenwissen sind nicht dasselbe

Es gibt zahlreiche Fakten und Erkenntnisse, die man sicher oder sehr sicher sagen kann, häufig aufgrund wissenschaftlichen Fortschritts. Eine Irrung besteht aber darin, das Recht auf eine eigene Meinung mit dem Recht auf eigene Fakten zu verwechseln. Maren Urner erklärt: „Sie besteht darin, dass Menschen annehmen, sie könnten „glauben“, was ihnen in den Sinn kommt. Dieser falsch verstandene Skeptizismus treibt vor allem in sogenannten alternativen Nachrichten- und Informationsquellen, in bestimmten Chatprogrammen und sozialen Netzwerken sein Unwesen.“ Dies kann man täglich live und in Farbe beobachten und entweder darüber oder daran verzweifeln. Denn während solches Geschrei in analogen Zeiten auf dem Dorfplatz verhallte, reist es im digitalen Zeitalter in Sekundenschnelle um den Erdball und auf die Bildschirme. Dr. Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln.

Wissenschaft ist häufig mit Unsicherheit verbunden

Glauben und Faktenwissen sind aber nicht dasselbe. Und was Menschen wider besseren Wissens glauben, darf nicht über die Gesundheit entscheiden oder gar dafür sorgen, dass die Menschheit ihre Zukunft auf diesem Planeten verspielt. Maren Urner gibt jedoch zu: „Wissenschaft ist kein Zustand, sondern ein Prozess, der häufig mit Unsicherheit verbunden ist.“ Denn wenn das menschliche Steinzeitgehirn eines da oben in den Köpfen nicht mag, dann ist es genau das: Unsicherheit.

Fest steht: Die wenigsten Dinge im Leben sind in Stein gemeißelt. Die Trennung von „Gefühl“ und „Verstand“ bestimmt das menschliche Denken auf allen Ebenen des Zusammenlebens – egal ob im Privaten oder auf internationaler Bühne. Und sie hat mitunter fatale Folgen. Menschen wollen sich nicht ihrer Gefühle und der damit verbundenen Individualität berauben lassen. Maren Urner erläutert: „Denn sie sind es doch, die uns „menschlich“ machen und von den Spocks und Computern dieser Welt unterscheiden.“

Das Gehirn steuert das logische Denken und die Gefühle

So geht es Maren Urner immer wieder, wenn sie ihr Gegenüber ermuntert, die vermeintliche Trennung von Herz und Verstand hinter sich zu lassen. Häufig schaut sie dann in geweitete Pupillen, vielleicht einen leicht entsetzen bis empörten Gesichtsausdruck und hört aufgebrachte Entgegnungen wie: „Aber das Thema ist mir doch wirklich wichtig, es liegt mir am Herzen!“ Schnell wird klar: Ihr Gegenüber bekommt es mit der Angst zu tun angesichts der Gefahr, sie wolle ihr oder ihm etwas wegnehmen.

Es geht Maren Urner nicht darum, das Fühlen abzuschaffen oder zu entzaubern. Sie betont: „Streng genommen geht es um das Gegenteil: Das „Zauberhafteste“ – im Sinne von Faszinierendste – ist aus meiner Sicht als Neurowissenschaftlerin und Mensch gleichermaßen die komplexe Gefühlswelt, die unser Gehirn in jedem Moment unseres Lebens erschafft.“ Lachen, Weinen und Lieben – all das „passiert“ eben nicht im Herz, sondern genau wie das logische Denken und Kopfrechnen in den 86 Milliarden Nervenzellen in dem komplexesten Organ, das ein Mensch besitzt. Gefühle werden genau wie strukturiertes Überlegen und bedächtiges Abwägen vom Gehirn gesteuert. Quelle: „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ von Maren Urner

Von Hans Klumbies