Goethe war ein literarischer Superstar

Das Buch „Die Leiden des jungen Werthers“ waren Johann Wolfgang von Goethes bedeutendster Beitrag zum sogenannten Sturm und Drang. Dabei handelt es sich um eine literarische Bewegung, die sich gegen den Rationalismus der Aufklärung wandte. Die Schriftsteller des Sturm und Drang zelebrierten Emotionen in all ihren Extremen. Sie schrieben von leidenschaftlicher Liebe bis zur düsteren Melancholie, von selbstmörderischer Sehnsucht bis zu rasender Freude. Und Johann Wolfgang von Goethe wurde damit zum literarischen Superstar. Andrea Wulf weiß: „Der achtzehn Jahre alte Herzog Carl August war von dem Roman so angetan, dass er Goethe 1775 einlud, bei ihm im Herzogtum Sachsen-Weimar zu leben und zu arbeiten.“ Als Autorin zeichnete man Andrea Wulf mit einer Vielzahl von Preisen aus, vor allem für ihren Weltbestseller „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ 2016, der in 27 Sprachen übersetzt wurde.

Carl August und Goethe führten ein wildes Leben

Johann Wolfgang von Goethe war sechsundzwanzig, als er nach Weimar zog. Und er wusste sich in Szene zu setzen. Zu seinem Antrittsbesuch trug er seine Werther- Uniform. In den folgenden Jahren zogen der Dichter und der junge Herzog durch die Straßen und Kneipen von Weimar. Sie spielten arglosen Einwohnern Streiche und flirteten mit Bauernmädchen. Der Herzog liebte es, über die Felder zu galoppieren, in Heuschobern zu schlafen oder im Wald zu kampieren.

Andrea Wulf ergänzt: „Sie betranken sich und lieferten sich Schlägereien mit anderen, gaben theatralische Liebeserklärungen ab, badeten nackt und kletterten nachts auf Bäume.“ Aber diese wilden Jahre waren längst vorbei und Johann Wolfgang von Goethe hatte seine Sturm- und Drang-Phase hinter sich gelassen. Mit der Zeit mäßigten sich sowohl der Dichter als auch der Herrscher, und Goethe gehörte nun zur Regierung des Herzogtums. Der kleine Staat zählte nur etwas mehr als 100.000 Einwohner.

Der Hofstaat im Herzogtum war extrem aufgebläht

Die Landwirtschaft machte den überwiegenden Teil der Wirtschaft aus – mit Getreide, Obst, Wein, Gemüsegärten sowie Schafen und Rindern. Handel und Handwerk waren im Herzogtum Sachsen-Weimar kaum vertreten. Andrea Wulf kritisiert: „Dafür aber existierte ein aufgeblähter Hofstaat mit 2.000 Günstlingen, Beamten und Soldaten, die alle finanziert werden mussten.“ Die Stadt Weimar selbst wirkte provinziell. Die meisten der 750 Häuser hatten nur ein Stockwerk und so kleine Fenster, dass sie düster und beengt wirkten.

Die Straßen waren schmutzig, und auf dem Marktplatz gab es nur zwei Läden, die Waren verkauften, die man als Luxusartikel bezeichnen konnte. Nämlich eine Parfümerie und ein Textilgeschäft. Weimar hatte nicht einmal eine Postkutschenstation. Andrea Wulf erläutert: „Goethe wurde zum Vertrauten Carl Augusts und zu seinem Geheimrat. Ihr Verhältnis war so eng, dass man munkelte, der Herzog beschließe nichts ohne den Rat des Dichters.“ Im Laufe der Zeit übernahm Goethe die Leitung des Hoftheaters und den Wideraufbau des abgebrannten Schlosses in Weimar sowie mehrere andere gut bezahlte Verwaltungsposten, darunter die Kontrolle über die Bergwerke des Herzogtums. Quelle: „Fabelhafte Rebellen“ von Andrea Wulf

Von Hans Klumbies

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