Die Freiheit muss auch nein sagen

Es gibt nicht nur das Glück der Freiheit, sondern auch das Glück der Unterwerfung. Christoph Menke erläutert: „Und daher kann die Freiheit nicht nur lustvoll-affirmativ sein – sie kann nicht nur sein –, sondern sie muss Nein sagen.“ Die Freiheit sagt: „Nieder mit dem Glück der Unterwerfung.“ Alle Bestimmungen, die das Sein der Freiheit oder die Freiheit als eine Seinsweise beschreiben, sind zutiefst zweideutig. Zum Beispiel im Außersichsein dabei zu sein, dies lustvoll zu erfahren und zu bejahen. So können Bestimmungen der Freiheit oder der Knechtschaft sein. Deshalb muss die Freiheit über das Sein – das Sein, das die Freiheit ist: dass sie für den ist, der frei ist – hinausgehen und eine Unterscheidung treffen. Christoph Menke ist Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Die Freiheit befreit sich von der Unfreiheit

Das affirmative Sein der Freiheit bedarf einer Negation; die Lust der Teilhabe verlangt ein Urteil. Christoph Menke fügt hinzu: „Die Freiheit muss über das Sein, die Lust, die Affirmation hinausgehen. Sie muss negativ, unterscheidend, urteilend werden.“ Diese Notwendigkeit – über das affirmative Sein hinausgehen zu müssen – ist nichts anderes als die Freiheit. Der Schritt hinaus über das Sein – das die Freiheit für die Freien ist – gründet selbst in der Freiheit.

Er gründet darin, dass die Freiheit das Andere der Unfreiheit ist. Genauer: dass die Freiheit sich als das Andere der Unfreiheit hervorbringt. Denn die Freiheit ist nicht von der Unfreiheit unterschieden, sie unterscheidet sich von ihr. Christoph Menke erklärt: „Das heißt aber nichts anderes, als dass die Freiheit nicht ist, sondern wird. Sie wird, indem sie sich von der Unfreiheit befreit. Das ist die zweite, der ersten entgegengesetzte Grundbestimmung der Freiheit: Die Freiheit ist das Werden der Freiheit – die Befreiung.“

Gewordene Freiheit negiert die Unfreiheit

Diese zweite Bestimmung besagt, dass die Freiheit niemals aus sich heraus verstanden werden kann. Dass sie also kein unmittelbares Sein, nicht eine Seinsweise des Selbst und der Vollzüge ist, dass sie nicht aus ihrer Lust und Bejahung begriffen werden kann. Christoph Menke stellt fest: „Frei zu sein wird vielmehr erst zur Freiheit geworden sein, indem es sich hervorbringt – indem es die Unfreiheit negiert.“ Theodor W. Adorno schreibt: „Erst an dem von ihm Getrennten und gegen es Notwendigen erwirbt das Subjekt […] die Begriffe Freiheit und Unfreiheit.“

Denn die Freiheit als Unmittelbarkeit und Sein – als Lust, als Bejahung – kann man nicht von der Unfreiheit unterscheiden. Sie verschwimmt mit ihrem Gegenteil; sie löst sich auf. Die Freiheit bloß als Sein verstehen zu wollen heißt, ihren Gegensatz zur Unfreiheit aufzugeben. Es heißt, die Freiheit aufzugeben. Der evolutionäre Prozess kann immer nur bis zur Schwelle, bis zu den notwendigen Bedingungen der Freiheit führen. Wenn das Werden der Freiheit aus der Unfreiheit als nicht geschehen sein kann, muss es getan worden sein. Quelle: „Theorie der Befreiung“ von Christoph Menke

Von Hans Klumbies

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