Der Abstieg eines Landes vollzieht sich zunächst allmählich

Die Niedergangsphase eines geht normalerweise auf interne Konjunkturschwäche im Zusammenspiel mit innenpolitischen Konflikten zurück – oder auf kostspielige außenpolitische Konflikte oder beides. Ray Dalio weiß: „Im Regelfall vollzieht sich der Abstieg eines Landes zunächst allmählich und dann abrupt.“ Innenpolitisch nehmen die Schulden überhand und es kommt zu einem Konjunkturabschwung. Wenn das Land sich nicht länger das nötige Geld leihen kann, um seine Schulden zurückzuzahlen, führt das zu großen internen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und zwingt es, sich zwischen einem Staatsbankrott und dem Anwerfen der Druckerpressen zu entscheiden. In dieser Situation entschließt sich das Land fast immer dazu, eine Menge neues Geld zu drucken – erst nach und nach und schließlich mit aller Kraft. Ray Dalio ist Gründer von Bridgewater Associates, dem weltgrößten Hedgefonds. Er gehört mit zu den einflussreichsten Menschen der Welt.

In der „antikapitalistische Phase“ ist der Kapitalismus an allem schuld

Dadurch verliert die Währung an Wert und die Inflation zieht an. Zudem gibt es gewöhnlich immer mehr innenpolitische Konflikte zwischen Reich und Arm und verschiedenen ethischen und religiösen Gruppen. Ray Dalio stellt fest: „Das führt zu politischem Extremismus, der sich als linker oder rechter Populismus niederschlägt. Die Linken wollen den Reichtum verteilen, die Rechten sorgen dafür, dass er in den Händen der Reichen bleibt.“ Dabei handelt es sich um die „antikapitalistische Phase“, in der die Probleme dem Kapitalismus, den Kapitalisten und generell den Eliten angelastet werden.

In aller Regel steigen in solchen Zeiten die Steuern für die Reichen, und wenn diese befürchten, dass ihnen zu viel genommen wird, ziehen sie an Orte und in Anlagen und Währungen um, die ihnen mehr Sicherheit vermitteln. Ray Dalio ergänzt: „Durch solche Abgänge verringern sich die Steuereinnahmen eines Landes, was zu einem klassischen und sich selbst verstärkenden Aushöhlungsprozess führt.“ Nimmt die Kapitalflucht schlimmere Folgen an, erklärt sie das Land für illegal. Spätestens jetzt geraten alle, die wegwollen, in Panik.

Der Populismus bedroht die Demokratie

Solche Turbulenzen unterminieren die Produktivität, wodurch sich der Wirtschaftskuchen verkleinert und sich die Konflikte um die Verteilung der abnehmenden Ressourcen verschärfen. Ray Dalio fügt hinzu: „In beiden Lagern kristallisieren sich populistische Leitfiguren heraus und sichern zu, das Ruder zu übernehmen und für Ordnung zu sorgen.“ An diesem Punkt ist die Demokratie in höchster Gefahr, weil sie es nicht schafft, die Anarchie zu kontrollieren, und weil die Erfolgsaussichten eines starken populistischen Anführers, der Ordnung ins Chaos bringt, dann am größten sind.

Nehmen die Konflikte im eigenen Land zu, führt das in der einen oder anderen Form zu Revolution oder Bürgerkrieg, um den Wohlstand neu zu verteilen und große Veränderungen zu erzwingen. Ray Dalio erläutert: „Das kann friedlich und unter Aufrechterhaltung der bestehenden inneren Ordnung verlaufen, doch häufiger kommt es zu Gewalt und einer Neuordnung.“ Aus Bürgerkriegen und Revolutionen entsteht, was Ray Dalio als „neue innere Ordnung“ bezeichnet. Quelle: „Weltordnung im Wandel“ von Ray Dalio

Von Hans Klumbies