Die Fotografie ist ein Drama von Tod und Auferstehung

Das analoge Foto ist ein Ding. Nicht selten hüten es Menschen wie ein Herzensding. Seine fragile Materialität setzt es dem Altern, dem Verfall aus. Es wird geboren und erleidet den Tod. Byung-Chul Han ergänzt: „Die analoge Fotografie verkörpert die Vergänglichkeit auch auf der Ebene des Referenten. Das fotografierte Objekt entfernt sich unerbittlich in die Vergangenheit. Die Fotografie trauert.“ Ein Drama von Tod und Auferstehung beherrscht die Theorie der Fotografie von Roland Barthes, die sich als eine Eloge der analogen Fotografie lesen lässt. Als fragiles Ding ist die Fotografie zwar dem Tod geweiht, aber sie ist gleichzeitig ein Medium der Auferstehung. Sie fängt die Lichtstrahlen ein, die von ihrem Referenten ausgehen, und hält sie auf Silberkörnchen fest. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Die Fotografie lebt über den Tod hinweg weiter

Die Fotografie ruft nicht bloß die Toten ins Gedächtnis zurück. Vielmehr macht sie eine Präsenz-Erfahrung möglich, indem sie sie wieder lebendig werden lässt. Byung-Chul Han fügt hinzu: „Die Fotografie ist die Nabelschnur, die den geliebten Körper über den Tod hinweg mit dem Betrachter verbindet. Sie verhilft ihm zur Wiedergeburt, erlöst ihn aus der Todesverfallenheit.“ So hat die Fotografie etwas mit Auferstehung zu tun. Die Erfahrung der Hinfälligkeit des menschlichen Lebens, welche die Fotografie verstärkt, führt zu einer Bedürftigkeit nach Erlösung.

So verbindet auch Giorgio Agamben die Fotografie mit der Idee der Auferstehung. Die Fotografie ist eine „Prophezeiung des glorreichen Leibes“. Von dem fotografierten Subjekt geht eine „stumme Anrede“, ein „Anspruch auf eine Erlösung“ aus. Byung-Chul Han erklärt: „Der Engel der Fotografie erneuert immer das Versprechen einer Auferstehung. Er ist ein Engel der Erinnerung und Erlösung. Er erhebt uns über die Hinfälligkeit des Lebens.“ Die analoge Fotografie überträgt die Lichtspuren, die vom Objekt ausgehen, über das Negativ auf das Papier.

Die digitale Fotografie unterbricht das Licht des Lebens

Ihrem Wesen nach ist die Fotografie ein Lichtbild. In der Dunkelkammer wird das Licht wieder geboren. Sie ist daher eine helle Kammer. Das digitale Medium hingegen wandelt die Lichtstrahlen in Daten, das heißt in Zahlenverhältnisse um. Byung-Chul Han stellt fest: „Die Daten sind ohne Licht. Sie sind weder hell noch dunkel. Sie unterbrechen das Licht des Lebens. Das digitale Medium zerreißt die magische Beziehung, die das Objekt übers Licht mit der Fotografie verbindet.“

Die digitale Fotografie hat keine intensive, innige, libidinöse Bindung an das Objekt. Sie ruft es nicht an, führt kein Zwiegespräch mit ihm. Ihr liegt keine einmalige, einzigartige, unwiderrufliche Begegnung mit dem Objekt zugrunde. Byung-Chul Han betont: „Das Sehen selbst wird an den Apparat delegiert. Die Möglichkeit der digitalen Nachbearbeitung schwächt die Bindung an den Referenten. Sie macht die Hingabe an die Wirklichkeit unmöglich.“ Vom Referenten abgekoppelt wird die Fotografie selbstreferenziell. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han

Von Hans Klumbies

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