Die Gegenwart ist von massenhaften Artensterben überschattet

Eine stärkere Verbindung zur Natur würde die Menschen glücklicher und gesünder machen – so weit, so gut. Doch da gibt es ein Problem. Was nützt es, Waldspaziergänge zu verschreiben, wenn weltweit Waldgebiete von Rodungen bedroht sind? Wie sollen die Menschen Zeit im Grünen verbringen, wenn es immer weniger Parks gibt? Wie baut man eine Beziehung zu jemandem auf, der todkrank ist? Lucy F. Jones kritisiert: „In der gesamten westlichen, industrialisierten Welt leben wir zunehmend abgekapselt von der Natur und ignorieren, wie sehr wie sie brauchen. Und damit geht die Katastrophe einher, dass die Natur vor unseren Augen verschwindet; unsere Zeit auf diesem Planeten wird von der gewaltsamen Zerstörung natürlicher Lebensräume und dem massenhaften Artensterben überschattet.“ Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

Die Menschheit lebt im Zeitalter des Sechsten Massenaussterbens

Bedenkt sie die unberechenbare und angsteinflößende Realität der Klimakatastrophe, die schon jetzt zum Aussterben verschiedenster Arten beträgt – auch der unseren. Dann wird Lucy F. Jones klar: „Selbst wenn es uns gelingen könnte, unsere Beziehung zur Natur wiederzubeleben, so wird das nicht mal eben durch einen beruhigenden, friedlichen, Thoreauesken Wandertag durch die Wildnis geschehen.“ Denn Wildnis gibt es kaum noch. In den 2010er-Jahren zeigten immer mehr wissenschaftliche Studien, dass sich die Wildpopulationen weltweit mit besorgniserregender Geschwindigkeit verringern: von 1970 bis 2020 um mehr als zwei Drittel.

Das Phänomen wird als Sechstes Massenaussterben bezeichnet. Lucy F. Jones erklärt: „Einer Studie aus dem Juli 2017 zufolge, die Biologen des Stanford University durchführten, vermittelte ein Fokus auf die Wandertaube oder den Tasmanischen Tiger fälschlicherweise das Bild, es handle sich um den „graduellen“ Einstieg in ein Zeitalter des Biodiversitätsverlusts.“ Stattdessen beschrieb sie die Situation als ein „biologische Ausrottung“.

Die Wälder beheimaten die größte Anzahl von Organismen

Der Umfang der Studie war beachtlich. Anhand von 27.600 Wirbeltierspezies und 177 Säugetierspezies wurde festgestellt, dass sich bei über der Hälfte sowohl die Population als auch ihr Lebensraum verkleinert hatten. Lucy F. Jones fügt hinzu: „Der Lebensraum ist für jede Spezies entscheidend. Schrumpft er, dann passt sich die Spezies dementsprechend an, sodass die Gefahr einer Ausrottung wächst.“ Die wenigsten Menschen bekommen jedoch aufgrund ihrer Lebensumstände den Raubbau an der Natur und den Verlust der Biodiversität aus nächster Nähe nicht mit.

Das ist eine der Konsequenzen, welche die Entfremdung der meisten Menschen von der Natur nach sich zieht. Lucy F. Jones stellt fest: „Doch das ändert sich allmählich, da mehr und mehr Naturräume kaputtgehen, mittlerweile auch direkt vor unserer Haustür.“ Von allen Lebensräumen auf der Erde bieten die Wälder der größten Anzahl von Organismen mit all ihren komplexen und artenreichen Strukturen ein Zuhause. Der Wald ist zudem ein wichtiges Gebiet für wissenschaftliche und ökologische Studien. Quelle: „Die Wurzeln des Glücks“ von Lucy F. Jones

Von Hans Klumbies