Die Welt war noch nie nachhaltig

Bevor sich Hannah Ritchie die Umweltprobleme vornimmt, muss sie ihren Lesern eine unangenehme Wahrheit mitteilen: „Die Welt war noch nie nachhaltig. Was wir zu erreichen versuchen, hat es noch nie gegeben. Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir uns anschauen, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet.“ Die klassische Definition der Nachhaltigkeit entstammt einem wegweisenden UN-Bericht. 1987 definierten die UN nachhaltige Entwicklung als eine, „die den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wird, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“. Diese Definition besteht aus zwei Teilen. Beim ersten geht es darum, sicherzustellen, dass alle heute lebenden Menschen – die jetzigen Generationen – ein gutes und gesundes Leben führen können. Dr. Hannah Ritchie ist Senior Researcher im Programm für globale Entwicklung an der Universität Oxford.

Die Schädigung des Planeten Erde muss begrenzt werden

Hannah Ritchie ergänzt: „Beim zweiten Teil geht es darum, dass unsere Lebensweise die Umwelt für die kommenden Generationen nicht beeinträchtigt. Wir sollten die Umwelt so behandeln, dass unsere Ururenkel die Chance auf ein gutes und gesundes Leben haben.“ Dieser Ansatz wird durchaus kontrovers gesehen. Manche Definitionen fokussieren sich ausschließlich auf den Umweltaspekt. Im „Oxford English Dictionary“ ist Nachhaltigkeit definiert als „die Eigenschaft, ökologisch nachhaltig zu sein; das Ausmaß, in dem ein Prozess oder ein Unternehmen aufrechterhalten oder fortgeführt werden kann, ohne dass die natürlichen Ressourcen langfristig erschöpft werden“.

Einige Definitionen fordern nicht, dass die Menschen gleichzeitig ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen. Als Umweltwissenschaftlerin interessiert Hannah Ritchie auch hauptsächlich der zweite Teil, bei dem es um eine Begrenzung der Schädigung des Planeten Erde geht. Aber aus moralischer Sicht kann sie den ersten Teil der Gleichung nicht ignorieren. Eine Welt, die von vermeidbarem menschlichem Leid geprägt ist, entspricht nicht ihrer Definition von Nachhaltigkeit.

Die Welt ist in letzter Zeit eher weniger nachhaltig geworden

Diese Ansätze werden vor allem so kontrovers diskutiert, da man davon ausgeht, dass es nur ein Entweder-oder geben kann. Also entweder das Wohlergehen der Menschheit oder Umweltschutz. Es ginge also um eine Priorisierung, und hinsichtlich der Nachhaltigkeit gewinnt die Umwelt. Dieser Zielkonflikt existierte früher, aber der rote Faden, der sich durch das Buch „Hoffnung für Verzweifelte“ von Hannah Ritchie zieht, ist, dass dieser Konflikt in Zukunft nicht existieren muss.

Denn die Möglichkeit, beides zu erreichen, besteht. Also sollte es einen immer geringeren Gegensatz zwischen den beiden Definitionen geben. Hannah Ritchie betont: „Die Welt war deswegen noch nie nachhaltig, weil wir nie beide Teile der Definition gleichzeitig erfüllt haben. Wenn wir uns nur auf die zweite Hälfte konzentrieren, könnte es so wirken, als wäre die Welt in letzter Zeit eher weniger nachhaltig geworden, weil Kohlenstoffemissionen, Energieverbrauch und Überfischung zugenommen haben.“ Quelle: „Hoffnung für Verzweifelte“ von Hannah Ritchie

Von Hans Klumbies