Konsumenten selektieren ihre Medien

Die Realität umgibt die Menschen mit Sachzwängen und zwingt sie so, ihre kindliche Seite in die hintersten Winkel ihres Geistes zu verbannen. Ille C. Gebeshuber fügt hinzu: „Dabei hören wir nicht auf, Kind zu sein, nur die Spielregeln ändern sich. Die eigene Weltsicht wird solide und der Platz in der Gesellschaft akzeptiert. Die Informationen, denen die Erwachsenen nun ausgesetzt sind, haben privaten, beruflichen oder gesellschaftlichen Charakter.“ Gesellschaftlich relevante Informationen begleiten alle Menschen auf Schritt und Tritt. Heute haben sich Medien zu einem Informationssturm entwickelt, der dem Konsumenten einiges an selektivem Geschick abverlangt. Das hat seine Vorteile, aber auch seine Nachteile. Vor allem fällt es dem Konsumenten leicht, die verschiedenen Informationsquellen derart zu selektieren, dass sie seinen Neigungen und Interessen entsprechen. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

Eine bequeme Wahrheit ist oft nur eine geschickte Lüge

Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Das ist zutiefst verführerisch, denn anstrengende und unangenehme Inhalte können so ausgeblendet werden. Im Idealfall bilden die willfährigen Medien eine Welt ab, die genau so ist, wie der Zuschauer sich dies wünscht.“ Diese eigene Wahrheit dient der Rückversicherung des eigenen Weltbildes. Alles ist in Ordnung. Fast. Denn früher oder später kommt der Moment, in dem der eigene Wohlfühlbereich verlassen werden muss.

Die dann erzwungene Begegnung mit anderen Welten kann durchaus schmerzhaft sein. Am Ende steht die Erkenntnis, dass eine zu bequeme Wahrheit oft nur eine geschickte Lüge ist. Im Privatleben spielt die individuelle Wahrheit eine wichtige Rolle. Die Selbstwahrnehmung und das eigene Weltbild bestimmen die Reaktion auf Ereignisse. In diesem Zusammenhang wurden Kindern bestimmte Verhaltensmuster anerzogen, die später ihr Verhältnis zu den Mitmenschen und der Gesellschaft bestimmen.

Alle Menschen lügen mehrmals pro Tag

Viele Menschen sind zwar Egoisten, die aber im Sinne der gesellschaftlichen Vertretbarkeit immer danach streben, rechtmäßig zu handeln. Ille C. Gebeshuber betont: „Dies führt dazu, dass die meisten Menschen mehrmals pro Tag lügen, wobei der Mindestwert bei circa zwei Mal steht. Selbstlügen ausgenommen.“ Relativ oft lässt die individuell unterschiedliche Interpretation von Sachverhalten Konflikte entstehen. Aber Eskalationen sind selten. Man versöhnt sich schnell, indem man einen Kompromiss zwischen den individuellen Wahrheiten findet.

Aber manchmal tun sich Menschen mit der Streitbeilegung schwer. Die Gegensätze der Auffassungen sind zu groß. Das wird auch dadurch erschwert, dass das Bestreben eines Menschen, immer im Recht sein zu wollen, das eigene Unrechtbewusstsein dazu verführt, die individuelle Wahrheit zu verfälschen. Ille C. Gebeshuber erläutert: „So glauben zum Beispiel viele Menschen, denen eine Unterlassungssünde vorgeworfen wird, felsenfest, diese Unterlassung nicht begangen zu haben.“ Der individuellen Wahrheit ist also nicht unbedingt zu trauen. Quelle: „Eine kurze Geschichte der Zukunft“ von Ille C. Gebeshuber

Von Hans Klumbies

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