Krankmachende Vorstellungen behindern die Selbstheilungskräfte

Am Beispiel des Nocebo-Effektes lässt sich die krankmachende Wirkung krankmachender Vorstellungen am leichtesten verstehbar machen. Gerald Hüther weiß: „Der menschliche Organismus verfügt über Selbstheilungskräfte, die ihre Wirkung insbesondere über die im gesamten Organismus ausgebreiteten integrativen Systeme entfalten: das autonome Nervensystem, das Hormonsystem, das kardiovaskuläre System und das Immunsystem.“ Gesteuert und koordiniert wird deren Aktivität im Gehirn nicht von der Hirnrinde, sondern von neuronalen Netzwerken, die in entwicklungsgeschichtlich älteren und tiefer im Hirn gelegenen Bereiche lokalisiert sind. Diese Netzwerke dienen der Regulation der im Körper ablaufenden Prozesse. Sie sind nicht daran beteiligt, wenn sich ein Mensch etwas vorstellt oder ausdenkt. Deshalb gibt es diese Netzwerke auch schon bei den Krokodilen. Solange sie in ihren Aktivitäten und ihrem Zusammenwirken durch nichts gestört werden, ist alles gut. Gerald Hüther ist Neurobiologe und Verfasser zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen.

Störungen im Körper führen zu einer Inkohärenz

Sie machen dann ihren Job, sorgen dafür, dass alles im Körper möglichst gut zusammenpasst und dass es wieder kohärenter gemacht wird, wenn eine Störung dort zu einer Inkohärenz geführt hat. Gerald Hüther erläutert: „Wenn jemand aber auf die Idee kommt, dass ihn etwas Bestimmtes mit Sicherheit krank macht, führt das in den oberen und unteren Bereichen des Gehirns, im sogenannten Frontallappen zu einer sich ausbreitenden Inkohärenz.“

Die dort befindlichen Nervenzellen fangen an, vermehrt zu feuern, es entsteht ein zunehmendes Durcheinander, das sehr viel Energie verbraucht und sich – solange diese Vorstellung fortbesteht – auch auf tiefer und weiter unten im Hirn liegende Bereiche ausbreitet, auch auf die für die integrative Regulation der Körperfunktionen zuständigen. Gerald Hüther ergänzt: „Wenn die dort liegenden Netzwerke von diesem Durcheinander mit erfasst werden, können sie nicht mehr ungestört das tun, wofür sie da sind.“

Alle Menschen kommen mit zwei Grundbedürfnissen zur Welt

So kommen dann auch die Regulation und Integration der im Körper ablaufenden Prozesse zunehmend durcheinander. Gerald Hüther stellt fest: „Das, was die Selbstheilung normalerweise ermöglicht, wird unwirksam, entstandene Inkohärenzen können nicht mehr ausgeglichen werden und die betreffende Person wird krank.“ Was dabei in ihrem Körper zuerst und am stärksten aus dem Ruder läuft, hängt von ihrer jeweiligen Konstitution, von Vorerkrankungen und spezifischen Anfälligkeiten, also ihrer „Vulnerabilität“ ab.

Bestimmte Vorstellungen können also im Hirn durchaus ein gewisses, für die Aktivität von Selbstheilungskräften ungünstiges Durcheinander erzeugen. Alle Menschen, überall auf der Welt kommen bereits mit zwei Grundbedürfnissen zur Welt. Gerald Hüther erklärt: „Das eine ist das Bedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit, das andere das Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Autonomie und Freiheit.“ Neben diesen seelischen Bedürfnissen haben die Menschen auch körperliche Bedürfnisse. Wenn man die nicht stillen kann, führt das im Hirn zu einem ziemlichen Durcheinander. Quelle: „Lieblosigkeit macht krank“ von Gerald Hüther

Von Hans Klumbies