Mit 1,2 Grad Erwärmung ist die Erde heißer als jemals zuvor

Die globale Mitteltemperatur ist seit dem Beginn der industriellen Revolution um mehr als ein Grad gestiegen. Friederike Otto weiß: „Die Anfang 2023 herrschenden 1,2 Grad Celsius globaler Erwärmung mögen nicht nach viel klingen, aber das täuscht. Für einen Planeten – und vor allem seine Bewohner – ist es ein riesiger Unterschied, ob die durchschnittliche, über alle Land- und Wassermassen gemessene Temperatur bei 14 oder 15,2 Grad liegt.“ Ähnlich wie es auch für einen menschlichen Körper einen enormen Unterschied macht, ob die Körpertemperatur bei 37 oder 38,2 Grad liegt. Mit 1,2 Grad Erwärmung ist die Erde heute wärmer als jemals zuvor in der Geschichte der menschlichen Zivilisation – wärmer als jene Welt, die ein Mensch bisher gekannt hat. Friederike Otto forscht am Grantham Institute for Climate Chance zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sie hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft – Attribution Science – mitentwickelt.

Der Klimawandel hat sich dramatisch beschleunigt

In der Welt, in der die Menschheit heute lebt, hat sich der mit der industriellen Revolution einhergehende Klimawandel gegen Ende des 20. Jahrhunderts dramatisch beschleunigt. Friederike Otto ergänzt: „Auch heute, in ersten Viertel des 21. Jahrhunderts, hält diese rasante Beschleunigung an. Während wir den Klimawandel in der eher abstrakt wirkenden Zahl der globalen Mitteltemperatur abbilden, spüren wir ihn konkret durch steigende Meeresspiegel, schmelzende Gletscher und sich verschiebende Jahreszeiten.“

Besonders intensiv macht er sich allerdings mit Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen bemerkbar. All diese Extremwetterereignisse verändern sich, fallen oft intensiver aus und kommen immer häufiger vor. Friederike Otto blickt zurück: „Das bedeutet nicht, dass unser Planet nicht schon vor knapp hundert Jahren fieberähnliche Symptome gezeigt hätte und Menschen nicht schon damals aufgrund des Klimawandels um ihr Leben gekämpft hätten.“

Bei der Hitzewelle 2003 sind viele Menschen gestorben

Planetarisches Fieber misst sich im Vergleich zur vorindustriellen Temperatur der Erde, also in etwa zur globalen Mitteltemperatur zwischen 1750 und 1900. Friederike Otto stellt fest: „Schon bei einer globalen Erwärmung von 0,17 Grad kann man deutliche Folgen sehen: Für die Menschen, die 1934 beispielsweise in den USA ihr Leben durch diese geringfügig, aber signifikant heißere Hitze verloren, war mit einer Erwärmung von 0,17 Grad die Grenze eines akzeptablen Temperaturanstiegs erreicht.“

Wer tot ist, kann sich nicht mehr anpassen. Für all diejenigen, die bei der Hitzewelle 2003 gestorben sind, war die Grenze bei einer Erwärmung von etwas über 0,8 Grad erreicht. Kurzum: Hitzewellen gab es schon immer, aber durch den Klimawandel werden sie immer gefährlicher. Friederike Otto erläutert: „Das bedeutet, dass für all die Pflanzen und Tiere, die sich in den letzten Jahrzehnten nicht schnell genug anpassen konnten, jede Grenz längst hinfällig ist. Und das gilt natürlich auch für den Menschen.“ Quelle: „Klimaungerechtigkeit“ von Friederike Otto

Von Hans Klumbies