Mündige Bürger müssen eine ausreichende Impulskontrolle besitzen

Hans-Otto Thomashoff fordert, dass mündige Bürger eine ausreichende Impulskontrolle besitzen, die verhindert, dass sie aufgrund von plötzlich ausgelösten Impulsgefühlen ihnen Verstand an den Nagel hängen und im schlimmsten Fall zu willenlosen Getriebenen werden. Weil jede Gesellschaft ihren Mitgliedern abverlangt, ihr Leben mit anderen zu teilen, die eigene, oft abweichende Interessen haben, kann das Zusammenleben nur gelingen, wenn Kompromisse gefunden werden. Das gilt in einer Demokratie. Voraussetzung dafür ist eine grundsätzliche Kompromissfähigkeit auf allen Seiten, idealerweise in einer gelebten Konfliktkultur, die lösungsorientierte, sachliche Kompromissfindungen begünstigt. Dazu bedarf es einer Gesprächsatmosphäre, die dem Verstand genügend Zeit für seine Arbeit gibt. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass für rationale Argumente kein Platz ist, wenn die Emotionen hochgehen. Hans-Otto Thomashoff ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse in eigener Praxis in Wien.

Konflikte gehören zeitlich und inhaltlich begrenzt

Sachliche Kompromisse lassen sich daher meist erst finden, wenn die Gefühle wieder abgeklungen sind. Nicht selten sind daher Auszeiten in Debatten fruchtbarer, als weiter zu diskutieren. Hans-Otto Thomashoff weiß: „Hilfreich für eine Kompromissfindung sind klare Rahmenbedingungen. Irgendwann ist die Diskussion zu Ende, und dann wird entschieden. Das funktioniert im Parlamentarismus gut. Nach der Debatte kommt unweigerlich die Abstimmung.“

Konflikte gehöre begrenzt, zeitlich und inhaltlich. Hans-Otto Thomashoff erklärt: „Dazu ist es wichtig, zu erkennen und anzuerkennen, dass am Ende eine Lösung steht, notfalls, wenn die Gefühle den Verstand gekapert haben, mithilfe eindeutiger Entscheidungsstrukturen oder der Hilfe durch eine unparteiische Instanz.“ Eine Diskussions- und Entscheidungskultur muss berücksichtigen, wie schwer es sein kann, die eigenen Gefühle, gerade wenn sie heftig sind, ausreichend zu steuern. Für Klärung und Kompromissfinden brauchen Menschen den Verstand, doch gönnen sie ihm oft nicht die Zeit, die er für seine Arbeit benötigt.

Angst und Wut sind meist schlechte Ratgeber

Schnelle Reaktionen aus dem Bauch heraus beherrschen das Miteinander – im Privaten wie in der Politik. Da überrascht es nicht, dass Parteien im Aufwind sind, die ganz auf das Gefühl der Wähler abzielen. Hans-Otto Thomashoff stellt fest: „Mittlerweile neigen wir in Deutschland dazu, wie aufgescheuchte Hühner jedes Thema zu dramatisieren, so sehr, dass Beobachter aus dem Ausland schon eine „deutsche Erregungsgesellschaft“ konstatieren, in der nüchterne Abwägung bereit als Provokation erlebt werde.“

Diesem Trend zur hysterischen Dramatisierung sollten die Deutschen bewusst gegensteuern, denn Angst und Wut sind meist schlechte Ratgeber. Leider wird der Trend durch die aktuelle Berichterstattung der Medien verstärkt. Hans-Otto Thomashoff erläutert: „Weil die Medienquote nach Gefühl verlangt, um Aufmerksamkeit zu bekommen, findet dort jedes Drama und finden deshalb radikale Strömungen mit jedem Drama, das sie inszenieren, eine ideale Plattform.“ Quelle: „Mehr Hirn in die Politik“ von Hans-Otto Thomashoff

Von Hans Klumbies