Neue Technologien bedrohen die Demokratie

Noch beunruhigender als die potenziellen Bedrohungen durch die neuen Technologien für die Wirtschaft und die Privatsphäre sind jene für die Demokratie. Joseph Stiglitz erklärt: „Die neuen Technologien sind zweischneidige Schwerter. Befürworter haben das Positive hervorgehoben: Die Schaffung eines größeren öffentlichen Raums, in dem jeder seine Stimme zu Gehör bringen kann. Aber wir haben auch eine viel dunklere Seite kennengelernt. Etwa als sich Russland wiederholt in demokratische Wahlen eingemischt hat, scheinbar in dem Bestreben, das Vertrauen in westliche Demokratien zu untergraben.“ Die neuen Technologien lassen sich zur Manipulation einsetzen. Nicht nur um ökonomische Erträge zu steigern, sondern auch, um gewisse Meinungen zu fördern und andere in Zweifel zu ziehen. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Die Social-Media-Plattformen sind mit Verlagen vergleichbar

Die Reichen sind dabei klar im Vorteil. So haben die neuen Technologien einen zusätzlichen Weg eröffnet, um aus Macht und Geld noch mehr Macht und Geld zu generieren. Zahlreichen Reformen sind vorgeschlagen worden, aber keine davon wird die Aufgabe überzeugend lösen. Einige Länder erlegen den Plattformen größere Pflichten auf. Deutschland geht entschieden gegen die Verbreitung von Hasskommentaren im Netz vor. Das ist angesichts seiner Geschichte vielleicht nicht weiter verwunderlich.

In einigen Fällen können schon einfache Verzögerungen wirksam sein. Durch die Verlangsamung des Internets verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass Fehlinformationen sich rasend schnell ausbreiten oder sich zu einem Trend entwickeln. Joseph Stiglitz fügt hinzu: „In der Zwischenzeit ließen sich Verfahren der Faktenüberprüfung in Gang setzen. Die Kennzeichnung von weitergesandten Nachrichten als faktenüberprüft beziehungsweise nicht faktenüberprüft könnte sinnvoll sein.“ Die Social-Media-Plattformen sind tatsächlich mit Verlagen vergleichbar. Beide verbreiten Nachrichten und übermitteln Werbebotschaften.

Technologiegiganten entziehen sich der Haftpflicht

Joseph Stiglitz stellt fest: „Zeitungen haften für das, was sie veröffentlichen. Die Technologiegiganten dagegen haben ihren politischen Einfluss genutzt, um sich einer entsprechenden Haftpflicht zu entziehen.“ Wären sie in ähnlicher Weise haftpflichtig, würden sie sorgfältiger darauf achten, welche Informationen sie verbreiten, und mehr in deren Überprüfung investieren. Dadurch bekäme man ein sichereres und ehrlicheres Internet. Zudem könnte man versuchen, kritischere Informationskonsumenten heranzubilden.

Einige Länder, wie etwa Italien, verbessern die öffentliche Medienbildung und somit die Fähigkeit von Nutzern, offenkundig falsche Behauptungen zu erkennen. Joseph Stiglitz schlägt vor: „Ein aktives, öffentlich finanziertes Medium kann auch eine Rolle dabei spielen, versuchte Einmischungen, etwa Russlands, in die US-amerikanische Politik publik zu machen.“ Russland ist vielleicht auch nur deshalb so erfolgreich gewesen, weil seine Machenschaften unbemerkt blieben. Außerdem sollten Länder, die keine leistungsfähigen, unabhängigen und finanziell gut ausgestatteten Medien besitzen, versuchen, diese zu etablieren. Quelle: „Der Preis des Profits“ von Joseph Stiglitz

Von Hans Klumbies

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