„Nur“ 0,5 Prozent der Weltbevölkerung sind auf der Flucht

Die von vielen Leuten vor allem in wohlhabenden Ländern gepflegte Vorstellung, die halbe Welt befinde sich irgendwie auf Wanderschaft, liegt meilenweit neben der Realität. In Wirklichkeit sind „nur“ 0,5 Prozent der Weltbevölkerung auf der Flucht. Ullrich Fichtner erläutert: „Solche Irrtümer häufen sich auch deshalb gern, weil wir Menschen mit großen Zahlen schlechter umgehen können, als wir denken. Wir meinen zwar mittlerweile, an die abstrakten Summen gewaltiger Staatsausgaben gewöhnt, mit Milliarden- und Millionenrechnungen selbstverständlich vertraut zu sein, aber das gehört in die Reihe der humanen Selbstüberschätzungen.“ Und übrigens: Die Menschen auf der Flucht wollen nicht alle nach Schweden oder Deutschland oder Großbritannien, keineswegs! Die meisten retten sich in ihre Nachbarländer, bleiben dort und hoffen auf baldige Rückkehr in die Heimat. Ullrich Fichtner ist Reporter des „Spiegel“ und gehört zu den renommiertesten Journalisten Deutschlands.

Im Denken vieler Menschen hat sich ein negativer Grundzug eingenistet

Ullrich Fichtner weiß: „Auf der Liste der Länder, die derzeit die meisten Flüchtlinge beherbergen, liegen auf den ersten drei Plätzen: die Türkei, Kolumbien und Uganda.“ Und fragt man nach den meisten Geflüchteten pro 1000 Einwohner, dann liegen ganz vorne: Aruba, der Libanon und Curaçao. So zerplatzen die falschen Weltbilder eines nach dem anderen. Ullrich Fichtner denkt, der Sinn der Demonstration wird deutlich: „Unser Wissen über die Welt ist begrenzt, um es freundlich zu sagen, und es unterliegt auch noch dem, was Amerikaner einen „bias“ nennen, einer Voreingenommenheit, die den Blick auf die Wirklichkeit verzerrt.“

Hans Rosling, ein positiv denkender Arzt, lange Jahre in Diensten der Uno in den ärmsten Regionen der Welt, zog gegen diese Verzerrungen zeitlebens zu Felde, vor allem gegen den negativen Grundzug, der sich im Denken vieler Menschen eingenistet hat. Auf seine amüsante Weise hat er die gröbsten Wahrnehmungsfehler beschrieben. Dazu zählt beispielsweise der „Instinkt der geraden Linie“, der viele Menschen glauben lässt, die Weltbevölkerung wachse „einfach immer weiter“.

Überall auf der Welt gibt es Verbesserungen

Gestützt auf massenweise Fakten und offizielle Berichte, zeigte Hans Rosling, dass sich die Welt keineswegs ständig verschlechtert, sondern dass sie sich im Gegenteil, auf geradezu erstaunliche Weise immer weiter bessert, nicht zuletzt deshalb, weil der Mensch aktiv wird und die Welt nicht einfach lässt, wie sie ist, sondern eingreift. Ullrich Fichtner fügt hinzu: „Kindersterblichkeit, Kinderarbeit, Kriegstote, Opfer bei Flugzeugabstürzen, Hunger, Feinstaub – wer einen Schritt zurücktritt und die längeren Linien in den Blick nimmt, erkennt Verbesserungen überall.“

Im Lauf der Zeiten haben immer mehr Menschen Zugang zu elektrischem Strom, zu sauberem Wasser, zu medizinischer Versorgung bekommen, sie leben gesünder, länger, besser. Ullrich Fichtner ergänzt: „Die Getreideerträge sind weltweit von 1,4 Tonnen pro Hektar vor 50 Jahren auf heute 4 Tonnen pro Hektar gestiegen. Mehr als 90 Prozent aller Mädchen werden heute eingeschult, 1970 waren es kaum zwei Drittel.“ An Masern, Tetanus, Hirnhautentzündung, Atemwegsinfektionen starben noch im Jahr 2000 weltweit fast 4 Millionen Kinder jährlich, diese Zahl ist auf etwa 1,5 Millionen gesunken. Quelle: „Geboren für die großen Chancen“ von Ullrich Fichtner

Von Hans Klumbies

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