Ohne Gottlob Frege gäbe es heute keine digitale Revolution

Gottlob Frege gehört für Markus Gabriel zu den größten Logikern aller Zeiten. Als Mathematiker hat er maßgeblich zur Erfindung moderner symbolischer Logiken beigetragen. Das heißt, zu den mathematischen Zeichensystemen, die man heute noch verwendet, um die abstrakten Gedanken der Mathematik auszudrücken. Markus Gabriel stellt fest: „Gottlob Frege hat eine eigene Schriftsprache erfunden, um auf diese Weise die logischen Beziehungen zwischen Gedanken übersichtlicher darstellen zu können.“ Diese Schriftsprache nennt er die „Begriffsschrift“. Ohne Gottlob Freges Begriffsschrift gäbe es heute keine digitale Revolution. Er hat auch eine der wichtigsten Texte über das Denken geschrieben, seinen unscheinbaren kleinen Aufsatz „Der Gedanke“ von 1918. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Gedanken sind laut Gottlob Frege wahrheitsfähige Gebilde

„Was gerne übersehen wir, ist, dass Frege dort einräumt, dass wir vom Denken nur metaphorisch reden können“, so Markus Gabriel. Unter dem „Denken“ versteht er „das Fassen des Gedankens. Markus Gabriel nennt das „Freges Denktheorie“. Darin unterscheidet Gottlob Frege zwischen verschiedenen Einstellungen zu Gedanken. Erstens dem Fassen des Gedankens – dem Denken. Zweitens die Anerkennung der Wahrheit eines Gedankens – dem Urteilen. Drittens der Kundgebung dieses Urteils – dem Behaupten.

Markus Gabriel betont: „Dieser einfachen Unterscheidung liegt Gottlob Freges genialer Gedanke über Gedanken zugrunde. Ihm zufolge sind Gedanken wahrheitsfähige Gebilde. Wer oder was wahrheitsfähig ist, muss noch lange nicht wahr sein, sondern nur wahr sein können.“ Ein Gedanke ist also etwas, das entweder wahr oder falsch ist. Wenn man einen Gedanken fasst, denkt man über etwas nach. Der Witz von Gedanken ist, dass man diese auf viele Weisen erfassen kann. Nämlich in verschiedenen Sätzen, Sprachen und Zeichensystemen.

Gedanken sind bei Gottlob Frege keine Bewusstseinsinhalte

Gottlob Freges Schriften bestechen durch eine einzigartige Prägnanz und argumentativer Schärfe. Viele seiner Zeitgenossen haben ihn dafür bewundert. So widerlegt er auf weniger als einer Seite, dass so etwas wie ein postfaktisches Zeitalter überhaupt auftreten kann. Markus Gabriel erläutert: „Mit Frege können wir jetzt also festhalten, dass die Wirklichkeit wesentlich aus Gedanken, nämlich aus wahren Gedanken besteht. Das Wirkliche gäbe es Frege zufolge nicht, gäbe es keine Gedanken.“

Gedanken sind bei Gottlob Frege aber keine Bewusstseinsinhalte. Sie gehören keinem denkenden Lebewesen an. Vielmehr sind Gedanken objektiv existierende Strukturen, durch die Gegenstände in Beziehungen stehen. Fasst man einen Gedanken, kann man sich deswegen täuschen, weil das Wirkliche anders sein kann, als man meint. Gedanken können falsch sein. In dieser Hinsicht ist Gottlob Frege wohl Realist. Menschen sind irrtumsanfällig, weil sie Behauptungen aufstellen. Quelle: „Der Sinn des Denkens“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies

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