Politik ist immer emotional

In ihrem neuen Buch „Radikal emotional“ beschreibt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner wie Gefühle Politik machen. Sie vertritt dabei unter anderem die These, dass nicht nur die großen Zusammenhänge, sondern auch vermeintlich „rein private“ Alltagsentscheidungen immer politisch sind. Gefühle sind für die Autorin nichts „Privates“, dass man von der professionellen und politischen Ebene trennen kann. Maren Urner schreibt: „Die Ansicht, Emotionen hätten in der Politik nichts zu suchen, ist sogar – Achtung! – irrational. Denn Politik ist nichts anderes als ein Aushandlungsprozess über unterschiedliche Gefühle und damit verbundene Werte und Ideen innerhalb einer Gruppe von Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt.“ In diesen Aushandlungsprozess sind alle Menschen involviert. Dr. Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln.

Menschen sehnen sich nach Sicherheit

Allgemein gilt als „psychologische Faustregel“: Je lauter die Forderung nach Rationalität, desto emotional aufgeladener werden die Debatten. Politik betrifft Menschen und wird von Menschen gemacht – und dabei geht es vor allem anderen um Gefühle und Emotionen. Es geht um Ängste und Sorgen. Es ist der Wunsch nach Sicherheit, der gesellschaftliche Strukturen überall auf der Welt so geformt hat, wie man sie kennt. Die aktuellen Debatten handeln vom Klimanotfall, vom Migrationsgeschehen oder der Identitätspolitik.

Maren Urner stellt fest: „Denn nur, wenn wir Verstand und Emotionen zusammen denken und danach handeln, können wir konstruktiv leben und Politik gestalten.“ Außerdem fordert die Autorin zum dynamischen Denken auf. Nur wenn man radikal aufmerksam ist, kann man seinen eigenen Emotionen wahrnehmen und seine Entscheidungen besser verstehen. Dynamisch denkend bedeutet das, sich immer auf das „Wofür“ statt auf das „Wogegen“ zu konzentrieren.

Die Menschheit braucht eine radikale Verbundenheit

Nur wenn Menschen radikal ehrlich miteinander kommunizieren, können sie die gesellschaftlich notwendigen Änderungen für eine lebenswerte Welt bestreiten. Maren Urner fügt hinzu: „Nur wenn wir die falschen Trennungen zwischen Gefühl und Verstand, zwischen Privatem und Gesellschaftlichen, zwischen Mensch und Umwelt überwinden, können wir uns radikal verbunden fühlen.“ Das ist grundlegend für zukunftsorientiertes Denken und Handeln.

Das „Tolle“ an der Herausforderung, radikale Verbundenheit zu leben, bevor die Lebensbedingungen für unsere Spezies zunehmend schlechter werden, ist für Maren Urner, dass es keinen Feind in anderen Gruppen, hinter oder vor irgendwelchen Grenzen oder Mauern gibt, den es zu bezwingen gilt. Sie betont: „Der einzige „Feind“, wenn wir unbedingt einen solchen definieren wollen, ist unser kurzfristiges, statisches Denken.“ Denn dieses hindert Menschen, ihre radikale Aufmerksamkeit auf ein gemeinsames Ziel zu richten.

Radikal emotional
Wie Gefühle Politik machen
Maren Urner
Verlag: Droemer
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-426-44776-5, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies