Die Staaten der Welt stehen vor gigantischen Herausforderungen

In seinem neuen Buch „Das Jahrhundert der Toleranz“ beschreibt Richard David Precht die großen Herausforderungen, die auf die Staaten der Welt im 21. Jahrhundert zukommen. Außerdem fragt er, wie ein halbwegs friedliches Miteinander möglich sein könnte und wie es sich vermeiden lässt, dauerhaft in alte Muster der Feindschaft und Konfrontation zurückzufallen. Dabei nimmt er eine philosophische Perspektive ein und bietet seinen Lesern daher keine schnellen Lösungen. Denn in der Gesellschaft, in Politik und Kultur werden Herausforderungen und Krisen nicht durch Lösungen aus der Welt geschafft. Richard David Precht erläutert: „Für welche Maßnahmen man auch immer sich entscheidet, stets werden Schwierigkeiten verlagert, überformt, in den Hintergrund gestellt oder durch andere Schwierigkeiten ersetzt.“ Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Der Affekt treibt die Politik und die Massenmedien voran

Der Motor, der die Politik und die Massenmedien vorantreibt, ist zumeist der Affekt. Und die Belohnungskultur der handelnden Protagonisten sind Schlagzeilen und Zustimmungswerte, mithin Markt-, Macht- und Karrierechancen. Wer über die großen geostrategischen Herausforderungen nachdenkt, muss das wissen. Er muss unterscheiden zwischen dem, was Affekt und was Interesse ist. Und er muss die Erzählung kennen, die aus der Kombination von beiden entstehen. Denn genau diese Narrative bestimmen die gesellschaftlichen Debatten in den Massenmedien.

Es ist augenscheinlich sehr schwer, ohne Feinde zu leben. Und das Praktisch ist: Man findet auch immer genug. Heute stehen Russland und dazu China und möglicherweise bald auch Indien als neue Schurkenstaaten im Raum. Russland, weil es völkerrechtswidrig die Ukraine angegriffen und einem fürchterlichen Krieg überzogen hat. Und China, weil es das Gleiche mit Taiwan tun könnte, das von den meisten Ländern der Welt ohnehin nicht als eigenständiger Staat anerkannt wird, was die Lage nicht einfacher macht.

Noch lässt sich ein dritter Weltkrieg verhindern

Was derzeit zur Debatte steht, die Frage, wie die USA und Europa damit umgehen, dass sie nach und nach ihre Hegemonialstellung in der Welt verlieren, ist also nicht zuletzt eine Frage des Menschenbilds und der Geschichtsphilosophie. Fatalismus und Optimismus treffen hier hart aufeinander. Richard David Precht erklärt: „Während die Fatalisten fest glauben, dass etwas, das immer schon so gewesen sein soll, unweigerlich so bleiben muss, vertrauen die Optimisten auf den Menschheitsfortschritt.“

Das 21. Jahrhundert wird laut Richard David Precht das Jahrhundert der Toleranz sein oder es wird das letzte sein, in dem menschliche Geschichte geschrieben wird. Noch lässt sich verhindern, dass die Geschichte des Menschengeschlechts mit einem makabren Schlussklang endet, die Homo sapiens vollends als Missgeburt der Natur in einer fortan geistlosen Erinnerung behält. Langsam erkennt die Menschheit, dass sie mit der Ausplünderung ihrer Ressourcen und der Zerstörung ihrer biologischen Lebensbedingungen sich selbst vernichtet. Und noch lässt sich ein dritter und endgültig letzter Weltkrieg verhindern.

Das Jahrhundert der Toleranz
Plädoyer für eine wertegeleitete Außenpolitik
Richard David Precht
Verlag: Goldmann
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-442-31607-6, 22,00 Euro

Von Hans Klumbies