Schulden können durchaus sinnvoll sein

Es gibt viele Beispiele, bei denen Schulden von Privatpersonen weder moralisch noch ökonomisch verwerflich erscheinen. Marcel Fratzscher nennt Beispiele: „Schulden für Investitionen in die eigene Qualifikation oder die Bildung der Kinder, für das Eigenheim oder das eigene Unternehmen sind in den meisten Fällen gute Investitionen.“ Nun mag man einwenden, dass selbst solche Schulden nicht immer sinnvoll sein müssen, vor allem nicht dann, wenn die Schuldner sie langfristig nicht zurückzahlen können. Es gibt also verschiedene Facetten, wann und unter welchen Umständen Schulden sinnvoll und notwendig sind und wann nicht. In zahlreichen Fällen sind höhere Schulden kurzfristig notwendig und richtig, um sie langfristig schneller abbauen zu können. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Investitionen in Bildung rechnen sich langfristig immer

Marcel Fratzscher erläutert: „Ein Unternehmen, das kurzfristig einen Kredit aufnimmt, um in neue Maschinen oder Beschäftigung von zusätzlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu investieren, kann, wenn die Investitionen erfolgreich sind, seine Einnahmen erhöhen und somit nicht nur diesen Kredit, sondern auch andere Kredite langfristig schneller zurückzahlen und sich entschulden.“ Das Gleiche gilt für den Staat: Investitionen in Bildung kosten kurzfristig erst einmal Geld und erhöhen die Schulden. Langfristig rechnen sie sich jedoch fast immer, nicht nur für die Bürger, sondern auch für den Staat.

Denn besser qualifizierte Menschen schaffen mehr Innovationen und produktive Unternehmen mit höheren Löhnen und Einkommen für die Beschäftigten. Marcel Fratzscher fügt hinzu: „Das führt langfristig zu deutlich höheren Steuereinnahmen und ermöglicht es dem Staat, seine für die Bildungsausgaben aufgenommenen Schulden nicht nur zurückzuzahlen, sondern auch andere Schulden zu tilgen.“ Manchmal ist es erforderlich, zwischen den Schulden des Staates, also der Gemeinschaft, und den Schulden des Einzelnen, des Bürgers zu unterscheiden.

Schuldner sind entweder sehr jung oder sehr alt

Viele kritisieren die Verschuldung der Staaten, auch des deutschen, mit dem Argument, diese Schulden müssten in Zukunft zurückgezahlt werden und würden somit künftige Generationen schädigen. Marcel Fratzscher erklärt: „Dies mag im Einzelnen stimmen, denn üblicherweise benötigen Menschen dann Geld, wenn sie Kinder und junge Erwachsene sind; und auch dann, wenn sie alt sind, also nicht mehr arbeiten und von ihrer Rente und ihrem Vermögen leben müssen.“

Über den Lebenszyklus gesehen, sind Menschen also dann Schuldner, wenn sie sehr jung und wenn sie sehr alt sind, und sie sind Gläubiger – bauen also Ersparnisse auf oder bedienen Schulden –, wenn sie im mittleren Alter sind und mit ihrer eigenen Hände Arbeit Einkommen erzielen und Vermögen aufbauen können. Marcel Fratzscher ergänzt: „So ist es für einen jungen Menschen mit guter Ausbildung und Einkommen am Anfang der Berufskarriere nicht schwer, einen Kredit zu erhalten, beispielsweise für ein Eigenheim.“ Quelle: „Geld oder Leben von Marcel Fratzscher

Von Hans Klumbies